Im ZVV verkehren aktuell verschiedene S-Bahnen in den Hauptverkehrszeiten verkürzt. Die SBB spricht von mehr Schäden an den Fahrzeugen durch die Hitzewelle, die Gewerkschaften bringen einen Personalmangel im Unterhalt ins Spiel. Zumindest am Montag nach Ferienende, 20. August, waren drei der vier S-Bahnen die ich nutzte verkürzt. Bei der S12 führt das am Feierabend sofort zu Verspätungen bis Züge die um 100 oder 150 Meter kürzer sind jeweils alle Passagiere ausgespuckt und die neuen aufgenommen hat. So nebenbei bemerkt, die Klimaanlagen funktionierten in den Zügen die ich täglich nutze diesen Sommer sehr gut. Diesbezüglich hat sich viel verbessert. Also eher kein Problem in diesem Bereich mit der Hitzewelle.
Ich neige in diesem Fall eher dazu, den Gewerkschaften zu glauben. Ob die Ursache ein gewollt zu tiefer Personalbestand ist oder ob er ganz einfach bereits durch den vorherrschenden Mangel an ausgebildetem Personal in den technischen Berufen verursacht ist, sei dahin gestellt. Im Bereich des Swissmem rangieren die industriell technischen Berufe schon länger an der Spitze, der meist gesuchten Arbeitnehmer.
Für mich ein perfektes Beispiel wie die Industrie und andere betroffenen Branchen mit sehendem Auge in den Untergang marschieren. Die Fakten dazu sind bereits seit 20 Jahren bekannt. Was machen die Firmen, Arbeitnehmer über 50 Jahre werden aus Prinzip nicht angestellt, in kleineren Firmen aus Kostengründen auf die Strasse gestellt. Anscheinend sieht so marktgerechtes Verhalten aus. Es fehlen nicht nur Fachkräfte, es fehlen vor allem Fachkräfte die sich unter fragwürdigen Bedingungen zu tiefen Löhnen ausbeuten lassen. Das Problem beginnt schon an der Wurzel, Lehrstellen im technisch industriellen Bereich lassen sich zunehmend nicht besetzten und es fehlt an geeigneten Bewerbern. Die fertig ausgebildeten Fachkräfte verlassen nach der Lehre möglichst schnell ihr Berufsfeld, sei das durch Weiterbildung an den Fachhochschulen oder durch einen sofortigen Branchenwechsel. Mit einer 4-jährigen Berufslehre im Sack sind Branchenwechsel meist sehr einfach.
Schon seit Jahren erwähne ich in Diskussionen immer, die Schweizer Industrie wird nicht an den zu hohen Kosten zu Grunde gehen, sondern am Mangel geeigneter Arbeitnehmer. Der Mangel wird nun ersichtlich, der Markt brummt, die Nachfrage nach Arbeitsleistungen aus der Industrie ist hoch. Aktuell zeigt sich das in teils stark verlängerten Lieferfristen, Lieferengpässen bei Halbfabrikaten und Einkaufteilen. Zudem können sich Lieferanten erlauben Aufträge die nicht sehr gut zu ihrem Maschinenpark passen abzulehnen, teils Offertanfragen nicht einmal zu beantworten.
Diese Probleme betreffen so ziemlich alle hochentwickelten Länder. Die Automatisierung stösst langsam an ihre Grenzen und sie erfordert durch ihre hohe Komplezität noch bessere Fachkräfte, teils auf Ingenieurniveau.
Der Unterhalt für die Züge muss nun einmal dort gemacht werden wo sie fahren. Die fachspezifische Ausbildung dauert auch ihre Zeit. Springt ein Arbeitnehmer nach wenigen Jahren wieder ab, ist viel investierte Zeit, Geld und Fachwissen wieder weg. Ich persönlich würde mich nie im Unterhalt der SBB bewerben, die Arbeitsplätze sind für mich alles andere als attraktiv. Bei der SBB spürt man immer noch gut, dass es ein Bundesbetrieb ist, obwohl es eine AG ist, allerdings nach speziellem Recht.
Die Industrie hat es längst vergeigt für den benötigten Nachwuchs zu sorgen, nur funktioniert der Markt bis heute nicht. Die Löhne passen sich den Bedingungen nicht an, ebenso wenig die Arbeitsbedingungen.
Meine etwas düstere Zukunftsaussicht sieht so aus, der Mensch umgibt sich mit immer mehr Technik, will aber beruflich nichts damit zu tun haben. Wochenlanges Warten auf den Handwerker wird normal, der ÖV funktioniert unzuverlässig, vielleicht fällt sogar die Strom-und Wasserversorgung immer wieder regional aus. Einfach gesagt, die erste Welt rutscht zunehmend Richtung Schwellenland und dritte Welt. Vielleicht kommt es doch noch eines Tages so weit, dass der Elektriker oder Sanitär mehr verdient als ein Anwalt. Beim Automechaniker bezahlt man heute schon ohne gross zu murren Fr. 170.00 auf die Arbeitsstunde. In der Industrie oder im Handwerk gibt es schon bei Fr.100 fast einen Aufstand. Wer in der Fertigung arbeitet hört am meisten, zu teuer und zu lange Lieferfrist. Eine völlig verkehrte Welt.
Darum bin jetzt schon auf der Suche nach einer Wohnung die mich nicht zwingt zu Pendeln. Das Dasein als Transportsardine macht einfach wenig Freude.