Weltneuheit, elektrische Modellbahn in H0 /00 von BING Nürnberg.

  • ... der Titel ist nicht mehr ganz aktuell, das war 1925. Gerade mal 7 Jahre nach dem 1. Weltkrieg. Also vor 93 Jahren...

    Spur H0/00, AC Mittelleiter, Wechselstrom Motor 12-16 Volt. Fahrrichtungsänderung = Handumschaltung.


    Das Rollmaterial ist knapp massstäblich, mit einer Länge von je ca. 10 cm. Jedoch das Umfeld hat extrem verzogene Verhältnisse. So beträgt die Perron Höhe hohe 2,0 cm. Die Gebäudehöhe vom Bhf ab Sockeloberkante nur maximal incl. Dach = 4,25 cm. Selbst für die Appenzeller wäre das eine zu kurze Gebäudehöhe.


    Für ein H0 Alter von 93 Jahre(!) finde ich die Mechanik der Lokomotive erstaunlich modern konzipiert. Sie gleicht in ihren Grundsätzen stark dem HAG Traktor Te 101, welcher jedoch erst 33 Jahre später (1958) erschien. Detail: statt über eine Schnecke wird das Drehmoment über einen Zahnkranz übertragen. Das schwächt zwar etwas die Zugkraft, dafür hat die Lokomotive eine unglaubliche Geschwindigkeit drauf :D:thumbsup: und ohne jede Schwungmasse, einen phänomenalen Auslauf. Die Selbsthemmung/Reibung vom Getriebe ist nahe bei 0. Die Zugkraft reicht immer noch längstens für gut 4-5 Wagen, obwohl nur 1 Achse angetrieben ist. Anderst als die ersten Uhrwerk Lokomotiven Spur I und 0 um 1890-1914 herum, welche noch schneller sind und bei der erst besten Kurve vom Gleis katapultiert werden, bleibt der dieser H0/00 Bing Zug schön im Gleis, wie es sein sollte. Die Spurkränze sind durchaus angemessen bis sogar fein, aber die Radbreite per se ist über das Doppelte viel zu breit.


    Komischerweise sind die 1. Bing Züge von 1925 nicht sonderlich begehrt und noch relativ preiswert zu haben, vorausgesetzt man findet ein Exemplar. Dieser Zug mit Zubehör gab es an der letzten Dorenbach Auktion für ca. CHF 350.- + Aufgeld. Schweizer Vorbilder gibt es leider in H0 1925 noch keine. Auch Deutsche Vorbilder, trotz Nürnberger Fertigung sind sehr selten, am ehesten findet man "nur" Englische Vorbilder.


    Wenn man überlegt das 1925 noch voll das Starkstrom System 110/220 Volt populär war und das 20 Volt System ohne Glühlampen Vorwiderstand, sondern mit Trafo für die grossen Spuren gerade erst am entstehen ist, so versteht man vielleicht besser, dass die Spur H0 (noch) keine grössere Chance am Markt hatte.


    An deren Zügen kann es nicht gelegen haben, die sind technisch einwandfrei konstruiert. Aber die Gebäude wirken billig gefertigt à la Penny-Toys, welche für sehr wenig Geld zu haben waren. Schon damals achtete man nicht nur auf die Züge, sondern auch auf die "Landschaftsgestaltung" in Form des reichhaltigen Zubehörs. Dies war ab 0 und grösser umfangreich vorhanden, kostete aber (in der guten Ausführung), eher noch mehr als die Lokomotiven. Selbst ein Facharbeiter konnte sich diese besseren Göppinger Märklin Produkte nicht leisten, auch die Nürnberger Produkte konnte sich nicht jeder kaufen.


    War die Bing Qualität zu Beginn mindestens der Märklin Qualität ebenbürtig bis überlegen, änderte sich das rasch. Mehr und mehr verblieb für Bing nach dem 1. Weltkrieg nur noch die weniger kaufkräftige Kundschaft, welche sich sonst keine elektrische Modellbahn hätte leisten können.


    Mögen auch die Gebäude unmögliche Massstäbe haben, so ist diese Bing Qualität, trotz der Billigkeit über alle Zweifel erhaben: nach 93 Jahren auf das Gleis stellen und es läuft wie der geölte Blitz... Ich habe es auseinander genommen, weil mich deren Funktion wunder nahm, nicht weil es einen Anlass dazu gegeben hätte.


    Mich nimmt schon wunder, ob eine heute moderne Digital Lokomotive nach fast 100 Jahren noch mir nichts dir nichts, ohne jeden Aufwand noch so gut läuft. Dieser Beweis muss erst noch erbracht werden, aber dann lebe ich nicht mehr, (oder wieder?)