Elektrische Dampflok E 3/3 Tigerli von Semaphore 8521 und 8522

  • Vorbild

    Eine elektrische Dampflok muss nicht unbedingt ein Widerspruch darstellen, das gab es 1:1...

    Mangels Kohle lies die SBB in ihrer Hauptwerkstätte 2 Stk übliche Rangierlok Ee 3/3 8521 und 8522 mit elektrischen Verdampfer, Trafo und Stromabnehmer ausrüsten. Der Umbau fand in der SBB Hauptwerkstätte Yverdon und BBC Baden 1942-1943 statt.


    Leistung: 2 x Verdampfer zu je 480 kW was für 300 Kilo Dampf pro Stunde zu 12 Atmosphären reichte.

    Kohlenersparnis 700 bis 1200 Tonnen Kohlen pro Jahr.

    Der Umbau auf elektrischen Betrieb kostete damalige CHF 100`000.-. pro Lok (1942). Die Ersparnisse an Kohlen betrugen 36`000.- pro Jahr. 1951 wurde die

    elektrische Ausrüstung wieder entfernt. Die Lok soll sich bestens bewährt haben und auf knapp 10 Jahre hinaus, rentierte sich der Umbau auch finanziell.


    Aber es war dennoch ein Sonderling. Elektrischer Strom, Wasser und Feuer passen nicht übertrieben gut zusammen. Persönliche Anmerkung: wenn es dumm geht, kann nur schon ein Föhn oder gar ein Handy in der Badewanne einen Menschen töten. Die Lok hat denn auch unglaubliche Stromwerte: Die Spannung für die Verdampfer betrug nur 20 Volt(!), aber 12`000 Ampère... Solche Werte sind in dieser Kombination ansonsten eher selten bis nie anzutreffen. Genau genommen war es nun sogar eine 2-Kraft Lokomotive. Die elektrische Ausrüstung war kein Ersatz, sondern ZUSÄTZLICH zur Dampferzeugung via Kohle Feuer und Wasser angebracht worden. Wenn die Lok längere Zeit ohne Fahrdraht gefahren wurde, konnte auch nach wie vor mit Kohlen geheizt werden. Die Dampferzeugung reichte für immerhin etwa 20 Minuten, bis wieder entweder mit Strom oder mit Kohle Dampf erzeugt werden musste.


    1951/1952 wurden die Lokomotiven wieder als reine Dampfloks eingesetzt, die elektrische Ausrüstung (leider) entfernt. Wahrscheinlich würde dieses Gefährt nicht mehr 100% den heutigen SUVA Bestimmungen genügen... Aber die Schweiz war erfinderisch, gab es ein Problem, eben den Kohlen Mangel, wurde nach Lösungen gesucht :). Die Tenderlok 8522 wurde 1961 abgebrochen. Die Tenderlok 8521 existiert (als reine Dampflok) heute noch als Museumslok. Das ursprüngliche Baujahr dieser "Tigerli" Tenderloks war 1913. Somit waren sie beim Umbau 1942 etwa 29 jährig.


    Quelle: Buch von Alfred Moser "Dampfbetrieb der Schweizerischen Eisenbahnen 1847 bis 1966". Birkhäuser Verlag Basel, 4. Auflage 1967. Seite 269.

    Analog ist cool:)

    2 Mal editiert, zuletzt von Longimanus ()

  • Modell Tigerli Tenderlok 8521: elektrische Dampflok


    Basis Liliput, ca 1985.

    Umbau: Semaphore Modellbahn Versand, Baselland 4457 Diegten.


    Persönliche Einschätzung:

    Idee ausgezeichnet. Detaillierung hervorragend. Jedes einzelne Segment wurde sorgfältig nachgebildet. Gemäss den Originalplänen. Soweit als dies möglich war. Soweit so gut. Die Umsetzung gefällt mir weniger. Was nicht zwingend ein Vorwurf an den Hersteller sein muss. Es ist immer die Frage, wie weit soll ein Modell Originalgetreu sein, wie weit soll es robust sein. Beides gleichzeitig geht auch, aber dann wird es richtig teuer.


    Der Beschreib, "Panto mit Rost, sonst guter Zustand" ist ein wenig kreativ. Das Ding fiel auseinander, die Klebestellen haben nicht mehr gehalten. Und der "Rost" gefällt mir auch nicht, aber den hat Semaphore extra angebracht und als Alterung erwähnt(!) Wahrscheinlich dürfte der Panto in 1:1 verschmiert gewesen sein, wenn gleichzeitig mal elektrisch, mal per Dampf gefahren wurde. Anderseits, wenn das Modell vollkommen neu gewesen wäre, hätte ich es wahrscheinlich gar nicht zugeschlagen erhalten bekommen. Ich bin eher bereit, für ganz alt Märklin Sachen an die Schmerzgrenze zu gehen, als für Modelle aus neueren Baujahren.



    Und ohnehin: alle mechanischen Maschinen, Fahrzeuge, Apparate fallen irgend wann mal auseinander. Ginge es einzig um Dauerhaftigkeit, müsste man Pyramiden sammeln. Eisenbahnen halten nicht ganz so lange... In einem Bastlerlot war ein sehr schön gemachter Eigenbau Triebwagen dabei, Modell aus den späten 1940-er Jahre. Gehäuse Messing, Innereien stammen vom Märklin CCS 800. Das Gehäuse wurde sauber gelötet, da muss ein Profi am Werk gewesen sein, aber jetzt nach über 70 Jahren sind alle Lötnähte komplett wie aufgelöst. Die Lötnähte fallen auseinander...


    Aus meiner Sicht hat das Semaphore elektrische Tigerli nur einen einzigen ernsthaften Mangel. Bis auf die gelötete Stromabnehmer Befestigung sind sämtliche Zurüstteile mit Sekundenkleber angeklebt. Aber auch Sekundenkleber hält nicht ewig... Die Garantie wurde ab Kauf 1 Jahr geleistet. Nun haben wir 2022, von dem her ist alles bestens.


    Das Hauptproblem ist, es wurde von Semaphore das Hebelarm-Gesetz zu wenig berücksichtigt. Wie beim Vorbild brauchte auch das Liliput Modell einen Hilfsrahmen. Beim Vorbild ist dieser abgestützt, die Komponenten wiegen immerhin 7 Tonnen. Beim Modell ist der Messing-Hilfsrahmen ohne jede Abstützung einfach einseitig an seiner Längsseite angeklebt. Die Dicke beträgt etwa 1,0 mm. Eine Abstützung hat es keine. Es wundert einem positiv, dass das überhaupt so lange gehalten hat! Zumal auch in H0 die Zurüstteile ganz ordentlich schwer sind.


    Bez. es wundert einem nicht, dass da nicht höher geboten wurde. Ich wollte dieses elektische Tigerli Ee 3/3 unbedingt, mein Höchstgebot war viel höher.

    Auch etwas schwieriger als gedacht, war der abgebrochene Puffer zu ersetzen. Eine neue Bohrung anbringen, das ging noch, aber jeder Puffer aus dem Bastelkistli war zu dick oder selten zu dünn, nur richtig nicht. Ich habe einen "zu dicken" genommen, an ein Holz angeklebt und den Schaft abgedreht.


    Die Klebestellen vom Altleim befreit und neuen Uhu Sekundenkleber angebracht. Wenn die Lok wieder 40 Jahre hält, bis der Leim wieder seinen Geist aufgibt, dann bin ich 97, dann wird auch mein eigner persönlicher Leim seinen Geist aufgegeben haben.


           

    Die elektrische Dampflok mag jetzt nicht mehr neuwertig sein, aber erfüllt seinen Zweck und fahren tut sie erstaunlich fein und gut, aber es ist kein Modell mit der gleichen Robustheit wie vergleichsweise der HAG Te 101.


    Der Hinweis von Semaphore in seiner Gebrauchsanleitung: gehen Sie damit äusserst sorgfältig um"(!) Dies muss man unbedingt befolgen, sonst brechen die beiden Messingstreifen "Hilfsrahmen" ab. (Siehe Auslege-Foto)


       


    Die Dach Garnitur ist äusser detailliert wiedergegeben. An der Front musste Semaphore kleine Kompromisse eingehen. Der Geländer-Durchgang beträgt nur 4 mm. Das wäre 1:1 nur ca. 35 cm. Ein dicker Herr Speck hätte seine Mühe, da durchzukommen. Über die Lampen klettern mussten die Bahnarbeiter auch eher nicht. Dafür ist von vorne gesehen die Front sehr schön ausgeführt.


    Doch mich freut, dass Semaphore vor bald 40 Jahren überhaupt dieses elektrische Dampflok Modell herstellte:thumbsup:, Liliput selbst traute sich nicht...

    Analog ist cool:)

    2 Mal editiert, zuletzt von Longimanus ()

  • Elektrischer Strom, Wasser und Feuer passen nicht übertrieben gut zusammen.

    Eigentlich passt das sehr gut. Oder was denkst du wie der klassische Wasserkocher funktioniert? Einfach ohne Feuer. Ein Elektroschmelzofen ist quasi die Kombination von Strom und Feuer.


    Aber auch Sekundenkleber hält nicht ewig...


    Dafür fallen die Teile fast rückstandsfrei ab und können entsprechend einfach wieder angebracht werden. Hast du höhere Ansprüche, sind Zweikomponenten Klebstoffe die erste Wahl. Zudem denke ich, dass heutige industrielle Sekundenklebstoffe viel besser sind als die vor 40 Jahren.


    Das richtige Kleben ist eine Wissenschaft für sich, da kann man sehr viel falsch machen.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Sehr interessant, danke für die Berichte!


    Dann ist der Hersteller des Modells Semaphore? Bei mit ging der Link geradewegs zuerst zum Semaphor Heft, wo diese Tigerli umfassend beschrieben werden - kann ich dir sehr empfehlen! Hier der Link zum Heft 61/2019: https://www.semaphor.ch/produk…hor-nr-61-fruehling-2019/


    Gerne gebe ich noch ein paar el. Hinweise zu „kleine Spannungen, grosse Ströme“ - da gibt es durchaus weitere Anwendungen:


    - Paradebeispiel ist die Aluminiumproduktion (Elektrolyse), dort ist der Strom das, wo benötigt wird. Je tiefer die Spannung dabei gehalten werden kann, desto effizienter ist die Produktion (weil folgendes gilt: Leistung = Spannung mal Strom). So bewegt man sich dort im einstelligen Voltbereich, dafür im sechsstelligen Ampèrebereich (Hier z.B. 5V und 200‘000A:https://de.m.wikipedia.org/wik…trolyse_von_Aluminium.svg).


    - El. Schweissen in vielen seiner Formen


    Viel Freude an deinem Tigerli, Hermann!

    Gruss Christian


    Meine Fotos; Eisenbahnen (Schwerpunkt Gotthard) und Dampfschiffe: https://www.flickr.com/photos/134896793@N03/ - aktuelles Avatarbild zur Erinnerung an den im Schnee versunkenen Gotthard am 17. April 1999.

  • Cebu Pacific

    Hat den Titel des Themas von „Elektrische Dampflok Ee 3/3 Tigerli von Semaphore 8521 und 8522“ zu „Elektrische Dampflok E 3/3 Tigerli von Semaphore 8521 und 8522“ geändert.
  • Die Tenderlok 8522 wurde 1961 abgebrochen. Die Tenderlok 8521 existiert (als reine Dampflok) heute noch als Museumslok.

    Meine Quelle, Jeanmaire Archiv Nr.36 besagt dazu etwas anderes. 8521 wurde im Dezember 1963 abgebrochen und 8522 1964 an die Sursee Triengen Bahn verkauft. Die 8522 existiert noch heute.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Eigentlich passt das sehr gut. Oder was denkst du wie der klassische Wasserkocher funktioniert? Einfach ohne Feuer. Ein Elektroschmelzofen ist quasi die Kombination von Strom und Feuer.

    Danke Erwin für Deine Antworten. Danke auch für die Berichtigung der Loknummern, da habe ich wohl die 8521 und 8522 verwechselt bezüglich Erhalt und Verschrottung.


    Bezüglich dem Alltagbetrieb dieser speziellen Dampflok finde ich Deine Argumentation nicht ganz so klar und logisch. Feuer, Wasser, Kohle und Strom z.B. via Tauchsieder, Eierkocher, Wasserkocher sind gänzlich in sich abgeschlossene Kreisläufe. Auch bei der Stromproduktion per se. Da krabbelt kein Erwin und auch sonst niemand zwischen dem Wasser und Strom hin und her. Und spontan wählen, ob Du doch lieber mit der gleichen Maschine per Kohle oder mit Strom den Kaffee aufbereiten willst, kannst Du auch nicht.


    Der Umbau wurde ja getätigt, er kostete immerhin CHF 100`000 pro Lok, was 1942 noch sehr viel mehr Geldwert als gegenüber 2022 entspricht. Es hat ja auch gut funktioniert Dass mit Strom direkt einen e-Motor antreiben effizienter ist, dürfte unbestritten sein. Aber die Dampflok war nun mal da und Kohle im Krieg rationiert u. teuer. Und trotzdem wurde die elektrische Dampferzeugung bereits nach nur ca. 9 Jahren wieder demontiert und die Lok auf dem Entwicklungsstand von 1913 noch für ca. 10 weitere Jahre eingesetzt. Aus meiner Ansicht ergibt sich daraus folgende Schlussfolgerung: der kombinierte Betrieb von Dampf- und e-Traktion war für das Personal in den 1940-er Kriegsjahren alles in allem mehr als nur ein kleines Restrisiko, trotzt den niederen 20 Volt. Es waren nicht wirklich 2 vollständig getrennte Kreisläufe von Wasser, Feuer und Strom, so wie man es heute kennt...


    Christian:

    Danke! Auch für Deine Hinweise zur Aluminium Herstellung. Dass die Alu Herstellung viel Strom braucht ist allgemein bekannt, doch von konkreten Angaben hatte ich keine Ahnung. Wäre dieses Verhältnis Spannung zu Ampère normal für z.B. E-Loks, dann hauts nach der 3-4 Lok auf dem SBB Netz die Sicherung vom Unterwerk heraus, sobald der Lokführer ein wenig aufdreht.


    Das Semaphore Magazin von der elektrischen Tigerli Lok müsste ich auch noch "irgendwo" haben. Diese Magazine sind ausgezeichnet recherchiert, wundervoll bebildert und beinhalten interessante Themen:thumbsup:.


    Gruss

    Hermann

    Analog ist cool:)

  • Mit Strom gespiesen ist der Verdampfer. Dieser bezieht lediglich via Umwälzpumpe das Wasser vom Kessel und zwar von unten. Die Verdampferrohre sind mit Glasseide thermisch und elektrisch isoliert. Der Dampf wird oben in den Kessel geleitet und gelangt so zum Dampfdom. Ist so im Semaphor Nr. 61 beschrieben.


    Und spontan wählen, ob Du doch lieber mit der gleichen Maschine per Kohle oder mit Strom den Kaffee aufbereiten willst, kannst Du auch nicht.

    Im Gegenteil, die Auswahl ist grösser. Atomstrom, Strom aus Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie, Gas, Kohle und als Nonplusultra Strom aus Braunkohle. ;):D Das alles kann mein Wasserkocher, nicht schlecht, gäll. :phat:

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Atomstrom, Strom aus Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie, Gas, Kohle und als Nonplusultra Strom aus Braunkohle. ;) :D Das alles kann mein Wasserkocher, nicht schlecht, gäll. :phat:

    Erwin: :thumbsup:


    Bei mir zu Hause ist die Alternative "nur" Holz. Aber dies gegenüber alten grossen Feuerlöchern um ganze Faktoren effizienter. Es wirkt ganz klein wie ein Spielzeug-Cheminée, doch es reichen 2-3 Holzscheite und nach kurzer Zeit wird das ganze Stockwerk warm. In alten Häusern waren die Cheminées riesen gross, aber die Luftzirkulation war ungenügend und unkontrolliert, es brauchte die doppele Menge Holz für halb so viel Wohnungswärme. Es gibt schon auch ein paar Techniken, wo ich moderne Konstruktionen gegenüber alten Bauarten bevorzuge.


    Wahrscheinlich hätten auch die SBB Rangierarbeiter die SBB Ee 922 oder gar die Eem 923 gegenüber den Tigerli E 3/3 8521 und 8522 im Alltag bevorzugt, wenn sie vor 75-80 Jahren die Wahl gehabt hätten. Toll ist trotzdem, dass die damaligen Verantwortlichen im Rangierbereich nicht aufgegeben haben, sondern eine Lösung suchten und auch kreativ fanden. Vielleicht war es auch parallel dazu ein Testversuch, oder kleine Nischen Firmenbeschäftigung?


    Wäre es das Nonplusultra gewesen, hätte man nicht nur 2 Stück E 3/3, sondern womöglich alle Tigerli umgebaut und nicht nur in Zollikofen und Brig, sondern auch in Basel, Zürich HB, Bern u. Luzern und Chiasso neben den elektrischen braunroten Ee 3/3 eingesetzt.

    Analog ist cool:)

  • Wahrscheinlich hätten auch die SBB Rangierarbeiter die SBB Ee 922 oder gar die Eem 923 gegenüber den Tigerli E 3/3 8521 und 8522 im Alltag bevorzugt, wenn sie vor 75-80 Jahren die Wahl gehabt hätten.

    Ich denke auch.

    War doch die Dampflok auch immer mit Rauch, Schmutz und Russ verbunden.

    ( Brannte doch in diesen Loks auch immer ein "Reservefeuer ")


    Könnte mir auch vorstellen, der ernorme Materialmangel während des Krieges verhinderte weitere Nachauten.