Hallo zusammen
Hermann, das sehe ich genau so mit der Fliegerei. Ich frage mich immer wieder, wie so günstig Flüge angeboten werden können. Ich bin definitiv dafür, dass die Flüge wieder etwas mehr kosten würden und man sich über den Sinn oder Unsinn des "Herumjetten" Gedanken macht. Die aktuelle Corona-Krise hat auch gezeigt, dass ganz viele Meetings und Verhandlungen auch problemlos online stattfinden können, ohne immer gleich irgendwo hin reisen zu müssen. Ich würde es sehr begrüssen, wenn die europäischen Bahnen die aktuelle Situation ausnützen würden, um die Nachtzugangebote wieder anzukurbeln. Die ÖBB und teilweise auch die SBB ist da auf gutem Weg zur Zeit. Schauen wird, wie nachhaltig und vor allem wie lange das Ganze betrieben werden kann. ÖBB hat mit der Bestellung der neuen "Nightjet"-Kompositionen bei Siemens sich wohl eine langfristigere Strategie angelegt. Ich motiviere meine Freundin immer wieder, bei Städtereisen doch lieber auf den Zug auszuweichen und für Destinationen, die nicht mit dem öffentlichen Verkehr erreicht werden können, das Flugzeug zu nehmen. Sie ist jeweils nur von den langen Reisezeiten abgeneigt - denn die Gepäckmitnahme sowie das Umsteigen mit dem Zug ist wesentlich einfacher.
Hänsu, vielen Dank für die eindrucksvolle Beschreibung der Infrastruktursituation in Griechenland. Da war ich leider noch nie mit dem Zug unterwegs, werde dies aber bestimmt noch nachholen (war bislang nur auf den Griechischen Inseln unterwegs). Eindrücklich war es für mich in Kroatien zu sehen, dass die Investitionen in die Strasse viel höher gewichtet werden als Investitionen in die Bahninfrastruktur. Da werden teilweise Autobahnen gebaut, die mit dem Schweizer Standard mithalten können und gleichzeitig gibt es noch nicht elektrifizierte Bahn-Hauptstrecken ohne Zugsicherungseinrichtungen etc.
Beängstigend ist auch der Zustand der Bahninfrastruktur in Frankreich abseits dem TGV-Hochgeschwindigkeitsnetz. Dort könnten zwar teilweise auf den Ebenen hohe Geschwindigkeiten gefahren werden, doch ist der Oberbau am verfallen und viele Stationen müssen örtlich mit fahrdienstlichem Personal besetzt werden, um Kreuzungen durchführen zu können (wenn es nicht schon vor Ort ist). Zudem vermute ich bei der SNCF noch ziemlich viel Ineffizienz. Wer sich davon überzeugen möchte, soll mal an einem Sonntag einen Ausflug nach Frasne machen: Da ist unglaublich viel SNCF-Personal vor Ort für den doch relativ kleinen Bahnhof - am Schalter drei Personen, drei Rangierarbeiter (für das Umstellen des RegioExpress aus der Schweiz) und noch einmal so viel Fahrdienst-Personal. Jedoch konnte mir keine Fahrkarte von Frasne nach Vallorbe verkauft werden, ich soll dies doch bitte in der Schweiz lösen...
Und in Deutschland finde ich äusserst schade, dass DB Netz teilweise riesige Bahnbetriebswerke, Rangierbahnhöfe, Anschlussgleise etc. komplett verwalden lässt - es sieht teilweise wie in einem Endzeit-Film aus! Ich kann gut verstehen, dass teilweise übergrosse Bahninfrastrukturen nicht mehr gebraucht werden oder effizient betrieben werden können. Doch da sollten diese sauber rückgebaut werden - das daraus gewonnene Altmetall hätte bereits einen ziemlichen Wert (und die frei werdende Fläche erst...).
Das unfassbare Schmalspur-Sterben in Österreich konnte glücklicherweise bei der Mariazellerbahn durch die Initiative des Bundeslandes Niederösterreich (heutige Bahngesellschaft NÖVOG) gestoppt werden. Der Bahnverkehr auf der "Krumpe" von Ober-Grafendorf nach Wieselburg an der Erlauf konnte zwar nicht gerettet werden (wurde ja schon von der ÖBB vor langer Zeit an die Wand gefahren), jedoch die touristisch sehr bedeutsame Strecke nach Mariazell. Dies zeigt auch, dass in grossen Ländern teilweise die Bedürfnisse der verschiedenen Regionen verkennt werden und sehr zentralistisch gehandelt und entschieden wird (Parallelen auch zu Frankreich mit den grossen Ballungsräumen und der "Provence").
Auch in der Schweiz wurden in der "Sparwut" Fehlentscheide getroffen. Die damals noch erneuerte Bahnlinie Büren an der Aare - Solothurn (praktisch alle Bahnübergänge wurden durch Strassenunterführungen ersetzt!) würde man heutzutage wohl auch nicht mehr stilllegen (ähnlich Sumiswald-Grünen - Huttwil, da wurde von der RM auch noch viel erneuert an den Publikumsanlagen, da ist der durchgehende Betrieb dank der Emmentalbahn wieder gewährleistet).
Bezüglich dem freien Netzzugang hat sich aber einiges getan, viele Bahngesellschaften (auch kleinere, private EVU) können sich aktiv an der europäischen Trassenvergabe beteiligen. Da wird in einem einheitlichen Programm (ja, EU und einheitlich!) die Trassenwünsche für das folgende Fahrplanjahr angegeben und dann werden die betroffenen Infrastrukturbetreiberinnen aufgefordert, zu den Bestellungen Stellung zu nehmen und die Machbarkeiten prüfen. Danach gibt es eine Harmonisierungsphase, wo die Möglichkeiten geklärt werden. Diese Daten werden dann wiederum in das Schweizer Trassenplanungssystem NeTS integriert.