Man muss dabei auch berücksichtigen, ein Traktor war (noch) nicht typischerweise mit der Landwirtschaft verbunden, so wie es heute der Fall ist. In den Pionierzeiten waren Traktoren Autos, Lastwagen und Landwirtschaftsfehzeug alles in einem. Nicht ideal, um im Acker die Pflugpferde zu ersetzen. Solche Traktoren mussten von Anfang an kompromisslos auch für solche Arbeiten ausgelegt sein, was sich Tüfteler, Erfinder und Einmann-Betriebe kaum leisten konnten. Es ist denn auch erstaunlich, gut eingespielte Pferdefuhrhalter hatten (vorerst) vor Traktoren in der Landwirtschaft keine Angst. Für sie waren Traktoren pannenanfällige unseriöse, nahezu untaugliche Spielzeuge reicher Gutsbetriebe mit zu viel Geld. Aber sie täuschten sich völlig, bald mal waren die Lohnunternehmer welche für die Bauern den Acker per Pferde pflügten nicht nur viel zu langsam, sondern auch viel zu teuer. Zumindest was die grossen Bauernbetriebe im Mitteland betraf. In den Berggebieten hielten sich Maulesel als günstige unverzichtbare "Universalfahrzeuge" für Kleinstbetriebe noch bis in die 1970-er Jahre hinein.
Autobahnen gab es noch keine, schon gar nicht in der Schweiz. Die Landstrasse teilten sich Hühner, Ochsenkarren, Velos, Motorräder, Autos, Hunde, Pferde und Pferdefuhrwerke, Lastwagen, Dampfahrzeuge, selten mal auch Rennwagen mit Geschwindigkeiten höher als heute auf Autobahnen, Fussgänger; auf den damaligen Strassen war einfach alles, was Räder und Beine hatte.
Es ist auch erstaunlich, schon sehr früh, seit Anbeginn vom motorisierten Verkehr gab es Vorschriften, Prüfungen sowohl der Fahrer wie auch der Fahrzeuge und diverse Tempo Limiten und Motorfahrzeugsteuern, deren Höhe sich an Hand der Leistung berechnete. Auch schon früh gab es die verschiedenen Fahrzeugkategorien. Kinder durften offiziell nie Autos fahren, aber schon erstaunlich früh Traktoren: Die Sitze waren noch nicht verstellbar, wenn das Kind die Pedale bedienen konnte, durften sie Traktoren fahren.
Ich finde dies erwähnenswert, weil einerseits die Verkehrsvorschriften bis auf die V/max auf Autobahnen, denen der heutigen Zeit gar nicht mal so viel anderst waren, teils nahezu identisch. Anderseits, wenn da jemand mit seinem (Strassen)Traktor für 20 km/h einlöste und 60 km/h fuhr und dabei erwischt wurde, passierte nicht sonderlich viel. Heute würde ich das in keinem Fall jemandem anraten, so jemand wird dann eine Weile zu Fuss gehen, oder die SBB oder das Taxi nehmen müssen. Es wird eine Mehrfache Busse geben, weil Traktoren für 60 km/h ein Vielfaches höher besteuert werden, als wenn jemand mit seinem Traktor 20 km/h fährt. (Üblich ist heute und in der CH bis auf Weiteres 30 km/h für Traktoren). Mit 20 km/h wird man nicht mehr gerne auf öffentlichen Strassen gesehen, jedes Elektrovelo überholt einem mit 40 - 50 km/h, aber bereits mit 40 km/h fahren wollen, kostet deutlich höhere Fahrzeugsteuern bezüglich Traktoren.
Braver und lieber waren früher die Verkehrsteilnehmer keines Weges! Brachten die Traktoren die Kraft dazu auf, fuhr fast jeder Bauer mit seinem Traktor für 20 km/h eingelöst, zumindest als Leerfahrt ohne Anhänger), 40 bis 60 km/h. All zu viel zu befürchten vor der Polizei, hatten die Bauern nicht. Allerdings waren es dann gute Kunden vom Landmaschinen Mechaniker / Händler. Die Traktoren welche offiziell für 60 km/h zugelassen waren, kosteten sowohl beim Kaufe wie auch bei der Versicherung und Steuern deutlich mehr. So robust waren Traktoren auch wieder nicht, wer mit einem Fahrzeug für 20 km/h ausgelegt, 50 km/h fuhr, hat einen Vielfach höheren Verschleiss, längere Bremswege, mehr Kraftstoffverbrauch und erreichte kaum je 10`000 Betriebsstunden, was schon damals für einen Traktor völlig normal war. Sorgfältige Bauern konnten auch 15-18`000 Betriebsstunden erreichen, was überaus das Portemonnaie schonte, Traktoren mittlerer Leistung waren im Verhältnis viel teurer als heute.
Um vor 90 bis 100 Jahren nicht vollends preislich out zu sein, haben besonders kleinere Produktionen die Komponenten genommen, welche günstig erhältlich waren: bereits zu den Pionierzeiten erstaunlich international: z.B. der Motor von Deutschland, oder USA, die Lichtmaschine USA, das Getriebe von Deutschland, das Fahrwerk von England, Zündanlage, Knöpfe, Schalter und Instrumentenanzeige, so vorhanden, aus der Schweiz. Entsprechend ist es extrem schwierig und aufwändig, solche Fahrzeuge originalgetreu zu restaurieren, wenn es schon damals bei seiner Erstellung vor 70 bis bis 100 Jahren, Traktoren im Prinzip zusammengebastelte Einzelobjekte waren. Besten Falles Kleinstserien von 1 - 30 Stk. Oft für nur den Eigenbedarf oder für kleine Fuhrhalter Unternehmen im erweiterten Familienkreis.
Nur selten, aber doch dann und wann, entwickelten sich aus diesen kleinsten Dorfwerkstätten eigentliche Traktorenhersteller, welche von der Traktoren Produktion existieren konnten und die Nachkriegszeit überlebten. Die Geschichte der Schweizer Traktorenhersteller 1:1 gleicht stark denen der Schweizer Modellbahnherstellern 1:32 bis 1:87.
Gruss
Hermann