SBB will Detailhandelsangestellte am Schalter einsetzen

  • Ein wenig Aufregung zum Jahresende, die SBB möchte am Schalter Detailhandelsangestellte einsetzen und nicht mehr nur zwingend KV Leute.


    Einige Gründe für die Massnahme wurden im Artikel genannt. Ein sehr wichtiger Aspekt ist gar nicht erwähnt und den wollen die KV Angestellten vermutlich auch lieber nicht wahrhaben. Die Automatisierung schreitet auch in diesem Beruf sehr zügig voran. Diese ermöglicht teils Personal zu sparen und die gleiche Aufgabe kann mit einer einfacheren Ausbildung bewerkstelligt werden, das wesentliche Wissen ist bereits in den IT Systemen enthalten und freundlicherweise übernimmt der Kunde mit Nutzung von Online Shops und Automaten kostenlos die Arbeit des Schalter Angestellten.


    Nicht zuletzt wird es nicht einfacher geeignete Lernende zu rekrutieren, ein Problem das fast in allen Berufsbildern omnipräsent ist.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Im Grunde genommen wird da längst praktiziert und zwar an allen Verkaufsstellen, die im Auftrag der SBB von einem Drittunternehmen betrieben werden. (Migrolino, AVEC, etc.)


    Das Problem der SBB ist derweil nachvollziehbar, die Fluktuation unter dem Schalterpersonal ist leider teilweise sehr hoch. Die Anforderungen an das Schalterpersonal sind insgesamt nach meinem Befinden gesunken und die Zukunftsaussichten weit weniger attraktiv, auch wenn das nicht alle Angestellten hinter dem Schalter nachvollziehen wollen. Dies schlägt sich am Ende leider auf den Nachwuchs aus und viele wechseln leider bereits nach wenigen Jahren in eine andere Branche. Die mangelnde Herausforderung wird dabei häufig als Grund genannt.
    Insgesamt erhofft man sich von dieser Massnahme natürlich einen starken Nutzen und das ist Konstanz. Ich finde es gut, dass damit auch schulisch schwächeren Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung am Schalter der Bahn gegeben werden kann. Sofern die Motivation dann stimmt steht einer kompetenten Person hinter dem Schalter nichts mehr im Weg.


    Ich möchte dennoch ausführen, weshalb nach meiner Meinung die Anforderungen am Schalter gesunken sind. Klar existiert heute mit den Tarifverbunden ein komplexes System, der Überblick ist dennoch einfacher zu gewinnen. In Zeiten der Verkehrsschule war die Ausbildung sehr anspruchsvoll. Von den Mitarbeitern wurde erwartet, dass die Bahnhöfe im gesamten Land, teilweise samt Kürzeln und Postleitzahlen auswendig gekannt werden und auf einer Karte zugeordnet werden können. Das Netz musste in- und auswendig gekannt werden, gab es doch seinerzeit keinen Onlinefahrplan, welcher einem bequem die schnellste Verbindung heraussuchte. In Zeiten vor dem Taktfahrplan eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
    In grossen Bahnhöfen musste umfangreiche Korrespondenz in mehreren Sprachen mit Bahnen in halb Europa abgewickelt werden. Es galt Fahrpläne zusammenzustellen, die notwendigen Reservationen zu tätigen und nicht zuletzt den Kunden auch über die Reise- und Zollformalitäten zu informieren. Wir können uns häufig gar nicht mehr vorstellen, wie die Abkommen mit und innerhalb der EU den Grenzverkehr in den vergangenen Jahren massiv vereinfacht haben. Die Kommunikation erfolgte noch über Fernschreiber und Telefon, später gesellte sich der Fax hinzu.
    Kleinere Stationen überliessen den internationalen Verkehr teilweise den grösseren Bahnhöfen, dafür war das Arbeitsumfeld noch viel grösser. Stückgut musste abgefertigt werden, es galt Wagen für den Güterverkehr zu organisieren und die Kunden entsprechend in Kenntnis zu setzen. Gleichzeitig musste auf kleineren Landstationen der Fahrdienst betreut werden. Sonderzüge wurden per Telefon oder Fernschreiber angekündigt und Streckenwärter und Baudienstpersonal mussten darüber in Kenntnis gesetzt werden. Der Bahnhofsvorstand führte mit seinen Mitarbeitern sozusagen eine kleine Firma innerhalb der grossen SBB.
    Für engagierte Leute im Schalterdienst waren die Zukunftsaussichten vor 40 Jahren blendend. Viele stiegen zu einem Bahnhofsvorstand oder dessen Stv. auf und andere erreichten gar den Rang eines Bahnhofinspektors. Es handelte sich dabei um Respektspersonen vergleichbar mit einem Polizisten oder dem Pfarrer. Nochmals ein ganz anderes Kaliber war ein Bahnhofsinspektor. Meist bekleidete dieser gleichzeitig den Rang eines Oberst i. Gst. im Militär, um sein Amt auch in Kriegszeiten ausführen zu können. Damit stand dann seinerzeit Tür und Tor zur Wirtschaftselite des Landes offen, die sich klassisch an Generalstabsanlässen traf. Entsprechend umfangreich waren die Kontakte und damit auch der Einfluss solcher Bahnbeamten, die weit über die SBB hinaus ins Zivile reichten.
    Dies einfach als kleiner Einblick meinerseits in das einstige Berufsbild mit ungleich anderen Zukunftsperspektiven als heute.

    Gruss aus dem Betrieb
    Otto

  • Zu diesem Thema wollte ich eigentlich auch mal noch etwas schreiben. Es ist wohl schon so, dass die Anforderungen im Vergleich zum früheren Bahnbetriebsdisponent gesunken sind. Die Entscheidung wird wohl auch Sinn machen und seine Vorteile haben.


    ABER: Als ich anno dazumal :D meine Lehre bei login als Kaufmann öV absolvierte, hatte ich die Chance in die unterschiedlichen Bereiche der verschiedenen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs hineinzuschauen, meine Erfahrungen zu sammeln und mich am Schluss für das zu entscheiden, was mir am Meisten entspricht. Und das fand ich sehr spannend, lehrreich und hätte ich nicht missen wollen!


    So lernte ich bei der SBB zuerst einmal zwei noch vor Ort bediente Bahnhöfe mit INTEGRA-Schalterstellwerk, Billettschalter und Kiosk in einem kennen, dann ging es weiter in die moderne Zugsteuerung mit ILTIS im Fernsteuerzentrum Bern, bevor ich das zweite halbe Jahr des ersten Lehrjahrs am BLS-Billettschalter in Schüpfheim verbrachte. Im zweiten Lehrjahr hatte ich zuerst wieder etwas moderne Zugsteuerung im Zentralstellwerk Luzern, bevor ich in der zweiten Hälfte des zweiten Lehrjahres bei Infrastruktur Instandhaltung im Admin-Bereich arbeiten durfte. Nach all diesen Erfahrungen entschied ich mich als Schwerpunkt im dritten Lehrjahr für die moderne Zugsteuerung im Fernsteuerzentrum Bern, d.h. für die Arbeit die ich auch jetzt nach der Lehre verrichte. Dies mal sehr vereinfacht dargestellt.


    Am Billettschalter hätte es mir zwar schon auch gefallen, so konnte ich mich vor der Lehre auch nicht abschliessend für Billettschalter oder Zugsteuerung entscheiden. Doch als der Entscheid für das 3. Lehrjahr her musste, wusste ich klar, dass mir die Zugsteuerung besser gefällt.


    Um nochmals zu den gesenkten Anforderungen eines Billettschalter-Angestellten zurück zu kommen: Wären die Systeme so einfach zu bedienen wie man sich dies heute so vorstellt, wäre ich mit obunkler zu 100% einverstanden. Doch dies ist leider nicht so, es ist alles sehr komplex und teilweise nicht sehr logisch. Insbesondere auch bei internationalen Reisen kann es sehr schnell sehr kompliziert werden, vor allem wegen der Kompliziertheit der zwei teilweise parallel einzusetzenden EDV-Systemen. Zudem sollte man ein grosses Wissen über die Angebote deren Tarifreglemente haben oder zumindest wissen, wo dies schnell nachgeschaut werden kann. Es ist aber möglich, dass diese Systeme demnächst abgelöst werden und fortan ohne Anleitung, einfach initutiv bedient werden können...


    Langer Rede kurzer Sinn: Ich bedaure den Entscheid was mein bereits nicht mehr existierender Lehrberuf betrifft (mann, muss ich alt sein :grin: ), bin aber überzeugt das es auch mit Detailhandelsangestellte funktionieren und sicher auch Vorteile haben wird. Ein Detailhandelsangestellter kann es besser machen als ein KV-Angestellter und umgekehrt, das kommt auch noch auf ganz andere Faktoren drauf an.


    Gruess Julian

  • Wären die Systeme so einfach zu bedienen wie man sich dies heute so vorstellt, wäre ich mit obunkler zu 100% einverstanden

    Da ich in der Lage bin meine Billette an einem SBB Automat selbstständig zu lösen, bin ich bereits schon qualifiziert die Funktion eines Schalterbeamten auszuüben. :phat: Die SBB Angestellten können das im Regelfall nicht, darum sind sie mit dem GA unterwegs. :vain:

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Da ich in der Lage bin meine Billette an einem SBB Automat selbstständig zu lösen, bin ich bereits schon qualifiziert die Funktion eines Schalterbeamten auszuüben. :phat: Die SBB Angestellten können das im Regelfall nicht, darum sind sie mit dem GA unterwegs. :vain:


    Das Bedienen eines Billettautomaten ist sehr einfach im Gegensatz zum internen Billettverkaufs-System, glaube mir... Meiner Meinung nach jedenfalls ist ein Billettautomat grundsätzlich einfach zu bedienen, anspruchsvoll wird es einfach wenn zwischen unterschiedlichen Wahlstrecken entschieden werden muss, es um Billetkauf im Tarifverbund geht (nur einige Stunden gültig, Zone anstatt Strecke, kein Retourbillet aber ev. lohnt isch eine Tageskarte, etc.) und deren Kombination mit normalen Billetten. Aber das ist zugegebenermassen (ev. mit Ausnahme der Wahlstrecken-Thematik, das man intelligenter lösen könnte) ja nicht ein Problem des Billettautomaten, sondern des Tarifsystems öV Schweiz.


    Gruess Julian

  • Ich bedaure den Entscheid was mein bereits nicht mehr existierender Lehrberuf betrifft (mann, muss ich alt sein )

    Gibts diesen Beruf echt nicht mehr? Das heisst, ich absolviere momentan eine Berufslehre, die nicht mehr existiert? ;)


    Ich werde eventuell auch mal die Chance haben, hinter den Schalter zu sitzen, aber ab Februar bis Juli gehts jetzt erst mal nach Olten in die Betriebsleitzentrale. Mal sehen, was danach kommt. :popcorn: