RhB Landwasser Viadukt, Januar 2022
Kürzlich am 27.01.2022 war das Wetter zu schlecht um Bergfotos zu versuchen (ich wollte die Bernina vom Parpaner Rothorn 2861m fotografieren), aber zu gut um nur Zeitung zu lesen, so gab es einen Ausflug zum nahen Landwasser Viadukt. Dieses wunderbare Bauwerk ist in unserem MoBa-Forum nicht gerade übervertreten. Wahrscheinlich darum, weil es tausende bis Millionen Fotos bereit existieren. Mir ist es auch nicht gelungen, da was besonderes zu erreichen. Für Winter hat es zu wenig Schnee und für Beauty ist die Vegetation mitten im Winter im grauen Schlafmodus. Doch es war einfach mal einen Testlauf. Ohne Piktogramm und ohne im Internet zu recherchieren, sondern einfach auf gut Glück, immerhin mit Karte 1:25000, wusste ich nicht, wie einfach (im Sommer) das berühmte Landwasser Viadukt zu erreichen war.
Und doch fasziniert mich dieses Bauwerk immer wie mehr, sichtbare wie auch unsichtbare Faktoren:
aus wie vielen Steinen besteht der Landwasser-Viadukt? Gemäss Internet besteht das ganze Bauwerk annähernd aus Dolomit Kalkstein. Die kompakte Brücke hat ein Volumen von nur 9200m3. Angenommen ein einzelner Stein wäre 0,3 x 0,3 x 0,5 Meter = 0,045 m3, so gäbe das nur 204`445 Steine. Irgendwo muss mir ein Rechenfehler unterlaufen sein, es hat ja nur schon einer von Fünf Pfeiler etwa 200 Reihen à (Mittelmass) 14 Steine x 4 Seiten ca. 11200 Steine. Aber es ist keine Beton-Konstruktion wo die Steine nur Verzierung darstellen, es ist auch im Volumen Mauerwerk. Also müssen es gefühlt unendlich viele schwere Steine sein. Viel Respekt für die damaligen Muratori
Totale Kosten: nur CHF 280`000.- (1902) Kosten für die Renovation nach immerhin 107 Jahren: 4,6 Mio. (2009).
Höhe: immerhin 65 Meter.
Länge: 136 Meter. Spannweite zwischen den Pfeilern: 20 Meter.
Bauzeit; nur 1,5 Jahre!!! (Heutige Bauwerke benötigen manchmal ein Vielfaches an Zeit, trotz moderner Technik)
Architekt: Alexander Acatos.
Unternehmung: Müller & Zeerleder.
Schade traute sich bisher meines Wissens kein Zubehör-Hersteller dieses Bauwerk einigermassen massstäblich anzubieten. Das ganze "Ding" ist viel komplexer als es auf den 1. Moment wirkt. Es sind nicht einfach 6 Gerade à 22,67 Meter zu einem Bogen abgewinkelt. Abgesehen dass die 5 Pfeiler nach oben deutlich verjüngt sind, behalten sie ihre Form bis ganz nach oben. Die Westseiten weisen doch kleine Rundungen auf, an der Ostseite sticht die Geometrie der Pfeiler auch im obersten Bereich deutlich hervor, der Brückenbogen besteht aus einem 10-Eck.
Spannend finde ich auch die Frage der Linienführung: Die Südseite vom Tal besteht in diesem Höhenbereich aus mässig geneigten Berghängen aus Wiesen und Wald. Felsen hat es im Gipfelbereich und am Fuss, aber nur den Einen vor Filisur. Es hat weit und breit über viele Kilometer keinen anderen Felsklotz als den einzigen den es hat und ausgerechnet dort kamen die Ingenieure auf die Idee: genau da muss die Bahn durch! Wenn die Ingenieure wüssten, welche Freude und Attraktivität sie damit der Bahn-Fans bereiteten?
Wahrscheinlich hat es andere Gründe: Selbst die Fahrstrasse nach Filisur hat einige Haarnadelkurven, der direkte Weg für die Bahn wäre viel zu steil. Die Höhe von Breda und Chur ist gegeben. Also geht es darum, unter Einhaltung der maximalen Steigung so direkt wie möglich Filisur zu erreichen und passen zur Abzweigung nach Davos sollte die Linie auch noch. Es ist äusserst bemerkenswert, wie die damaligen Erbauer und Planer und Arbeiter das alles in so kurzer Zeit und so dauerhaft bewerkstelligen konnten
Das ist jetzt nicht gar so schlimm, das Verhältnis der Geschwindigkeit stimmt. Zu Fuss schafft man kaum 1 km/h. Januar ist nicht ganz der ideale Monat, den Landwasser Viadukt zu besichtigen. Eine etwas ältere Person wunderte sich, dass ich etwas mühsam, vielleicht etwas ungeschickt? den Hang bevorzugte. Ich meinte nur, ich habe keine Steigeisen (dabei) und alles wo man herauf geht, muss man auch wieder hinunter. Die Person machte einen dummen Spruch und lag ein paar Sekunden später am Boden... Zum Glück ist es hier nicht gefährlich, aber weh tut ein Sturz trotzdem. Ich freute mich zu hören, ich sei ängstlich, man wird älter... Obwohl an vielen Stellen keinerlei Schnee mehr vorhanden war, der Boden total trocken (Waldbrandgefahr!), so gab es trotzdem immer wieder einzelne heikle Stellen mit Eisglätte, sobald der Weg sich im Schatten befand. Es ist ja auch Januar!
Die RhB ist eine der wenigen grösseren Bahnen, wo noch "richtige" klassische Züge im Einsatz sind. Links Schmittentobel-Viadukt, rechts Bhf Chur.
Ein attraktives Mehrfamilienhaus klassischer Bündner Art mitten an der Bahnhofstrasse. (Von Filisur, nicht Zürcher Bhf-Str)
Seit dem Bau der Brücke 1901-1902 sind die Bäume zu Riesen und zu einem Wald geworden. Wahrscheinlich gibt es keinen Ort auf festem Grund, wo man die Brücke als Ganzes fotografieren kann!? Für perfekte Aufnahmen bräuchte es den richtigen Sonnenstand und eine Foto-Drohne, oder einen Helikopter, damit man die Brücke mittig aufnehmen kann. Trotzdem, ab Anfang Sommer bis Herbst sind die offiziellen RhB Spazierwege zu den Aussichtspunkten sehr zu empfehlen. Sobald sie eisfrei sind, kommt man ziemlich mühelos zu den Aussichtspunkten "Süd" und "Nord" oder gleich im Talgrund zum Viadukt. Es ist schön, dass sich die RhB die Mühe gemacht hat, attraktive Brücken Touristen zugänglich zu machen. Das würde ich mir auch von der Rigi-Bahn wünschen...
Gruss
Hermann