So - wie in der Uservorstellung versprochen, hier also mein Bericht zur Führerstandsfahrt mit dem Krokodil am Gotthard. Einfach so im Voraus: ich ersuche um Nachsicht, wenn ich etwas sehr viele Superlative verwende und der Bericht sich über drei Teile hinzieht, aber das Erlebnis war wirklich absolut beeindruckend, etwas, was ich wohl kaum mehr in meinem Leben nochmals erleben werde ....
Wie bereits geschrieben, meine Arbeitskollegen schenkten mir zum 60.sten eine Führerstandsfahrt im Krokodil über den Gotthard und sie konnten kaum ahnen, welche Freude mir damit bereitet wurde. Kurz nach Erhalt des Gutscheins meldete ich mich bei SBB Historic zur Festlegung des Termin. Von SBB Historic wurden dieses Jahr erstmals und nur vier Daten mit Fahrten im Kroki angeboten. Wie sich rausstellte, war unsere Fahrt sogar noch die Premiere. Aufgrund der grossen Nachfrage wird aber überlegt, ob die Möglichkeit für zwei zusätzliche Fahrten im 2014 besteht. Alles war absolut perfekt vorbereitet - SBB Historic hat sogar das perfekte Wetter (entgegen den Wetterprognosen) organisiert!
Am vergangenen Freitag war es dann soweit, die geplante Fahrt war anberaumt. Ich hatte mich um 9:45 in Erstfeld einzufinden. Der Tag begann mit einem frühen Aufstehen, so mitten in der Nacht, also kurz nach 7 Uhr. Kaum aufgestanden, musste ich feststellen, dass nicht alles rund lief, ein System eines Kunden hatte Probleme und ich ganz einfach keine Zeit - Mist. Um 08.03 verliess ich mit der S9 Affoltern a/A Richtung Zug wo ich den ICN um 8.31 nach Arth-Goldau nehmen wollte.
Unter einem leichten Gefluche nahm ich in Info zur Kenntnis, dass der Zug 8 Minuten Verspätung haben solle, dabei habe ich in Arth-Goldau nur 7 Minuten Zeit zum Umsteigen auf den Regionalzug nach Erstfeld. Schon im Zug kurz vor Arth-Goldau musste ich die Durchsage zur Kenntnis nehmen, dass der Anschlusszug die Verbindung nicht habe abwarten können und der nächste Zug um 9.23 fahren werde. Kurz überlegt und die von SBB Historic vorbildlich gelieferte Notfallnummer angerufen und mitgeteilt, dass ich unverschuldet zu spät kommen werde. Ich wurde informiert, dass es kein Problem sei, denn auch der zweite Passagier der Führerstandsfahrt befände sich im gleichen Zug wie ich ... Die Zeit in Arth-Goldau konnte ich immerhin noch nutzen um den Pullman-Zug (mit Re 4/4 Doppeltraktion) zu bestaunen, der sich dann Richtung Süden in Bewegung setzte.
Auf der Fahrt nach Erstfeld habe ich mir so einige Gedanken gemacht und dabei bin ich auch noch auf Bruno Lämmli gestossen. Ich dachte noch, das wäre noch eine Supersache, wenn ich ihn doch mal persönlich treffen könnte, immerhin unterhält er für mich mit seiner Page Lokifahrer eine der für mich wichtigsten Informationsquellen mit wirklich guten Infos zum Thema Bahn. Ich wusste nur, dass er (noch) im Depot Erstfeld beheimatet ist, aber die Chance, ihn zu treffen war doch schon gleich Null.
In Erstfeld angekommen musste ich zuerst mal die Unterführung unter der Bahn suchen um durch die Baustelle hindurch zum Depot zu gelangen. Es warteten bereits drei Personen auf mich, einer wurde als Charly vorgestellt, er sei der Lokführer, ein Zweiter war Hans, mein Mitpassagier aus dem St. Gallischen und der Dritte stellte sich als Bruno Lämmli vor - na sowas!!!!!! Es gab eine kurze Einführung, das Verteilen der orangen Sicherheitswesten, spezielle Hinweise auf die Sicherheit und schon ging's los. Hier der erste Blick aufs Objekt der Begierde:
Ein unheimlich majestätischer Eindruck! Auf die geplante Lokübernahme wurde dann - auch aus Zeitgründen - verzichtet, denn es kam schon sehr bald jemand und fragte, wann wir das Gleis frei machen würden, er benötige dieses für eine zu reparierende Lok. Also rauf auf die Lok, im linken Führerstand und nach Freigabe durch die Fahrdienstleitung setzte sich das 95 Jahre alte Gefährt in Bewegung.
Charly ist leicht erkennbar, ebenso Hans und der etwas rundliche Aufpasser für uns Laien, das ist der besagte Bruno Lämmli. Die Aufgabenverteilung war ja klar, Charly der Lf, Hans und ich als Passagiere und Bruno der Aufpasser für uns, der alle (wirklich alle!) Bahn-bezogenen Fragen beantworten konnte. Er - wie auch Charly - glänzten durch ein enormes Wissen, durch unheimlich umfangreiche, interessante Infos rund um die Bahn, Fahrzeuge, Strecken. So viel zusätzlich in so kurzer Zeit habe ich selten dazugelernt!
Während der ganzen Fahrt musste Charly auf dem Totmann-Pedal stehen - apropos stehen: selbstverständlich verbrachte man die ganze Fahrt stehend - Sitzplätze gibt es da nicht. Das Fahrgefühl war aber sensationell, der Stangenantrieb ist speziell bei tiefen Geschwindigkeiten gut spürbar.
Gefahren wurde nur bis auf die Höhe der abgestellten (Schiebe-)Loks, dann den Führerstandswechsel und los ging's gen Gotthard ...
Gezeigt wurden uns wo die Lawinen runtergehen, Felsabbrüche, Verbauungen, sogar wo Charly aufgewachsen ist. Irgendwann überholte uns doch tatsächlich auf der Strecke auch noch ein Güterzug mit zwei DB BR 185 an der Spitze und einer weiteren DB BR 185 als Schieber - und erst noch rechts! Es war nicht die einzige Überholung während der Fahrt...
Nach dem Wattinger-Kehrtunnel hielt die Lok planmässig auf der mittleren Meienreussbrücke an - auf Höhe des Chileli Wassen.
In Göschenen wurden wir auf ein Gleis neben den Hauptlinien und rechts von der ehemaligen Autoverladeeinrichtung gewiesen. Es erfolgte eine der drei Kontrollen der Lok während der Reise. Kontrolliert wurden Temperaturen der Lager sowie eine optische Kontrolle der Lok durch Charly.
Nach dieser Pause ging's weiter in den Gotthard rein - aber nur bis zur Nische. Von Charly präzise navigiert konnten wir da aussteigen und den interessanten Ausführungen von Bruno zuhören. Wohlverstanden - wir standen da knapp 10 Minuten mitten im Tunnel!